Ektodermale Dysplasien Unter dem Begriff ektodermalen Dysplasien (ED) wird eine Gruppe hereditär bedingter Erkrankungen zusammengefasst, welche mit einer Hypoplasie der sich aus dem Ektoderm entwickelnden Organe (Nägel, Drüsen, Haare, Zähne) assoziiert sind. Mehr als hundert Formen der ED wurden bis jetzt beschrieben, wobei man zwischen so genannten „reinen“ ektodermalen Dysplasien und ektodermal dysplastischen Syndromen (ED kombiniert mit anderen Malformationen) unterscheidet [Ruhin et al., 2001]. Priolo et al. (2001) führten eine klinisch-genetische Klassifikation in 2 Gruppen ein: Gruppe 1 (Defekte der Regulation der Entwicklung / der epithelial-mesenchymalen Interaktion), Gruppe 2 (Zytosklelett- / Zellstabilität).
Zwei Hauptformen werden hervorgehoben, die hidrotische und die hypohidrotische (anhidrotische) ektodermale Dysplasie. Erstere Form unterscheidet sich durch das Vorhandensein muköser Drüsen und somit der Fähigkeit der Person zu schwitzen und ihre Körpertemperatur zu regulieren. Gemeinsame Symptome sind Hypotrichie (Kopf- und Gesichtsbehaarung, seltener Körperbehaarung), Nagelveränderungen (Nageldystrophie), Zahnanomalien (Unregelmäßigkeiten der Zahnanlagen in den verschiedensten Ausprägungsraden, konsekutiv charakteristische Veränderungen des Kieferknochens; Formanomalien der vorhandenen Zähne). Einige wenige Formen sind mit Immundefizienz assoziiert (EDA-ID, OL-EDA-ID).
Die Diagnose der hypohidrotischen / anhidrotischen ektodermale Dysplasie wird in der Regel vor dem 2. Lebensjahr gestellt. Die Kinder erleiden aufgrund der Unfähigkeit zu schwitzen hohe, lebensbedrohliche Fieberschübe auf. Die Aplasie der mukösen Drüsen des Respirationstraktes kann zu rezidivierenden Infektionen und Dyspnoe führen. Zur Diagnose führen neben dem klinischen Erscheinungsbild Histologie (Anzahl der funktionsfähigen Schweißdrüsen im untersuchten Hautbezirk), Schweißtest, Schirmertest (lakrimale Sekretion), Testung der Salivation, strukturelle und biochemische Untersuchung der Haare und Nägel sowie Untersuchung der Zähne, radiologische Untersuchung bei skelettären Anomalien. Aufgrund der Variabilität und Überlappung der klinischen Merkmale erfolgt die Abgrenzung der einzelnen Formen durch Gensequenzierung.
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Bisher wurden erfasst:
- ED mit Ektrodaktylie und LKG (EEC-Syndrom 1)
- ED mit Ektrodaktylie und LKG (EEC-Syndrom 2)
- ED mit Ektrodaktylie und LKG (EEC-Syndrom 3)
- ED mit Hautverletzlichkeit
- ED Typ Margarita Island
- Rosseli-Gulientti-Syndrom
- Hypohidrotische ED, dominanter Typ
- Hypohidrotische ED, rezessiver Typ
- Hidrotische ED, Typ Clouston
- Hypohidrotische ED, Typ Christ-Siemens-Touraine
- Anhidrotische ED mit Immundefekt, Osteopetrose und Lymphödem
- AREDYLD-Syndrom
- Basan-Syndrom, ED bei fehlenden Dermatoglyphen
- Ektodermale faziale Dysplasie, Setleis-Syndrom
- Ektodermale hidrotische Dysplasie, Typ Christianson-Fourie
- Ektodermale Dysplasie reiner Haar-Nagel-Typ
- Ektodermale Dysplasie, tricho-odonto-onychaler Typ
- Ektodermale Dysplasie, Typ Berlin
- Kranio-ektodermale Dysplasie, Levin-Syndrom, Sensenbrenner-Syndrom
- Ektodermale Dysplasie, Alopezie, präaxiale Polydaktylie
- Ektodermale Dysplasie, Blindheit
- ED, geistige Retardierung, Fehlbildungen des ZNS
- ED, geistige Retardierung, Syndaktylie (Ilyina-Amoashy-Grygory-Syndrom)
- ED mit Hypohidrose, Hypothyreose, Ziliendyskinesie
- ED, natale Zähne (Typ Turnpenny)
- ED, neurosensorische Taubheit
- ED, Ektrodaktylie / EEC ohne Lippen-Kiefer-Gaumenspalte
- Ellis-van-Creveld-Syndrom / chondroektodermale Dysplasie
- Hypohidrotische ektodermale Dysplasie mit Immundefizienz
- Ladda-Zonana-Ramer-Syndrom / Ektodermale Dysplasie, Kontrakturen, Lippen-Kiefer-Gaumenspalte
- Odonto-onycho-hypohidrotische Dysplasie mit Anomalien des Haarbodens / Tuffli-Laxova-Syndrom
- Ektodermale anhidrotische Dysplasie mit Lippenspalte / Rapp-Hodgkin-Syndrom
- Ektodermale Dysplasie mit Katarakt und Kyphoskoliose / Tricho-oculo-dermo-vertebrales Syndrom / Alves-dos Santos-Castello-Syndrom
- Ektodermale Dysplasie Typ Mendoza-Valiente Odonto-tricho-ungual-digito-palmares Syndrom
- Ektodermale Dysplasie, zerebelläre Ataxie
- Zunich-Kaye-Syndrom / neuroektodermale Dysplasie Typ Zunich, Typ CHIME
- ED mit Ancyloblepharon und Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte (AEC/Hay-Wells-Syndrom)
- ADULT-Syndrom
- Witkop-Syndrom
- Dermoodontodysplasie
- BOOK-Syndrom
- Taurodontie, fehlende Zähne, spärliches Haar
- Onychotrichodysplasie – Neutropenie
- Amelo-zerebro-hypohidrotisches Syndrom
- Limb-Mammary-Syndrom; LMS
- Lakrimo-aurikulo-dento-digitales Syndrom (LADD-Syndrom)
- Haar-Zahn-Nageldysplasie
- Odonto-trichomelische hypohidrotische Dysplasie
- Tetra-Amelie mit ektodermaler Dysplasie und Anomalien des Tränenganges
- Odonto-onychodermale Dysplasie
- Amelo-Onycho-Hypohidrotisches Syndrom
- Pilodentale Dysplasie
- Onychodystrophie-Taubheit; DOOR-Syndrom
- Taubheit, Zahnschmelzhypoplasie, Nagelveränderungen
- Okulo-tricho-Dysplasie
- Tricho-retino-dento-digitales Syndrom; Bork-Syndrom
- EEM-Syndrom (Ektodermale Dysplasie, Ektrodaktylie, Makuladystrophie)
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Klinisches Bild
Hauterscheinungen:Die hypohidrotischen ektodermalen Dysplasien sind gekennzeichnet durch ein weiches, trockenes und dünnes Hautbild, häufig verbunden mit palmoplantare Keratosen. Eine zunehmende Pigmentierung um Mund und Augen kann beobachtet werden.
Schleimhäute:Aplasie der muköser Drüsen führt zu Atrophie der nasalen Mucosa mit starker Krustenbildung, im Bereich des Respirationstraktes zu rezidivierenden Infektionen und Dyspnoe. Einfluß auf Salivation, lakrimale Sekretion….
Zahnanomalien: - Anodontie: völlige Zahnlosigkeit; in seltenen Fällen, z.B. bei der ED Typ Christ-Siemens-Touraine
- Hypodontie: Fehlen einiger Zähne
- Oligodontie: Fehlen einer größeren Anzahl von Zähnen
Die vorhandenen Zähne sind im Frontbereich oft zapfenförmig und/oder dysplastisch. Häufig besteht eine Verkleinerung der Seitenzähne.
Durch das Fehlen von Zähnen wird der Alveolarknochen in diesen Regionen nicht ausgebildet. Daraus resultiert eine verminderte untere Gesichtshöhe, wohingegen das Wachstum des Viszerokraniums nicht betroffen ist. Verminderte dentale und damit alveoläre Entwicklung bedingt jedoch ein Wachstum, welches sich im unteren Normbereich befindet. Die Knochenschicht zwischen dem Alveolarknochen des Oberkiefers und der Kieferhöhle ist oft sehr dünn, der Gaumen sehr flach.
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(Symptomatische) Therapie:
Eine frühzeitige prothetische Versorgung (totale Prothese, Teilprothese, Overdentures) spätestens ab dem 4.Lebensjahr ermöglicht eine angemessene Funktion (Kauen, Sprechen), eine ausreichende Ästhetik und normale psychologische Entwicklung der Kinder. Die Implantatversogung zur Prothesenabstützung wird derzeit noch experimentell gesehen. Weiters besteht oft die Notwendigkeit einer logopädischen Behandlung. Im Erwachsenenalter kann die kieferchirurgische Versorgung bei dentomaxillären Anomalien nötig werden.
Pränataldiagnostik:
- Chorionzottenbiopsie (CVS)
- Fetale Hautbiopsie (FSB)
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